Die fehlende Risikobereitschaft der Investoren hindere Deutschlands Gründer daran, mehr Hardware-Start-ups zu gründen. Es scheint nämlich, dass viele Kapitalgeber nur ungern in kostenintensive Hardware-Start-ups investieren. Stattdessen steigt die Zahl der Gründungen im Bereich Software und Dienstleistungen – bevorzugt nach dem Muster schon bestehender Geschäftsmodelle. Das „Trendbarometer junge IKT-Wirtschaft 2014″ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gibt einen Einblick in die aktuelle Stimmung der IKT-Wirtschaft.
Elf Thesen zu Deutschlands Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) formulierte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in seinem kürzlich veröffentlichten Trendbarometer. Genauer gesagt, wurden Deutschlands Gründer und Selbstständige aus dem Bereich der IKT-Wirtschaft ins Blickfeld gerückt und befragt.
Scheue Investoren, nachahmende Gründer und Silver Entrepreneurs
Insgesamt ist die Stimmung gut und von positiven Wachstumsprognosen geprägt. Aber die fehlende Risikobereitschaft vieler Investoren, in kostenintensive Hardware-Start-ups zu investieren, und die noch ausbaufähige Vernetzung mit etablierten Unternehmern stellen bedeutende Wermutstropfen in den Augen der Gründer dar. Gezielt verbessern, möchte man die Chancen für ausländische Unternehmer, Fuß auf Deutschlands Gründerboden zu fassen. Außerdem wird ein hohes Potenzial für ältere Gründer, sogenannte Silver Entrepreneurs, vorausgesagt. Man vermutet nämlich, dass die Gruppe der 46- bis 55-jährigen Gründer die derzeit noch aktivste Gruppe im Alter von 36 bis 45 Jahren ablösen wird.
Diese und weitere ähnliche Themen beschäftigen laut BMWi aktuell die IKT-Gründerwelt. Drei der insgesamt elf Thesen wollen wir näher beleuchten.

Auftragslage der jungen IKT-Unternehmen (l.) und Erwartungen bezüglich der Auftragsentwicklung (r.) (Quelle: Trendbarometer junge IKT-Wirtschaft 2014)
- These #1: Junge IKT-Unternehmen wünschen sich eine Vernetzung mit etablierten Unternehmen, um den nationalen und internationalen Zugang zu bestehenden Märkten zu erleichtern.
Eines der Themen, zu dem sich das BMWi erkundigte, ist die aktuelle Zufriedenheit junger IKT-Start-ups mit dem derzeitigen Grad an Vernetzung zwischen Gründern und erfahrenen Unternehmen der Branche. Der Aussage, dass jungen IKT-Unternehmen „eine Vernetzung mit etablierten Unternehmen fehlt, um Zugang zu bestehenden Märkten zu erhalten”, stimmen insgesamt 58 % zu. Lediglich 36 % sehen dies nicht so.
Eine andere Möglichkeit für IKT-Start-ups, Zugang zu etablierten Märkten zu erhalten, ist laut Trendbarometer das Corporate Venture Capital (CVC), also die Beteiligung großer Unternehmen aus der Branche an den Start-ups. Industrieunternehmen würden so nicht nur dringend benötigtes Eigenkapital zur Verfügung stellen, sondern auch ihr Know-how teilen und den Zugang zu ihrem Netzwerk ermöglichen. Da es beim CVC nicht ausschließlich darum geht, Renditen zu erzielen, sondern auch die eigenen strategischen Unternehmensziele zu erreichen, könne sich ein Start-up auf die volle Unterstützung beim erfolgreichen Markteintritt verlassen. Allerdings ist das Thema CVC in der Praxis noch ausbaufähig, da bisher nur 4 von 10 der befragten Gründer der Aussage „CVC sei eine gute Möglichkeit, Zugang zu bestehenden Märkten zu erhalten“ zu stimmten.
Auch im Hinblick auf eine Kooperation mit bereits etablierten Unternehmen, um eine frühe Internationalisierung durchzuführen, haben sich viele Befragte wohl noch kaum Gedanken gemacht. Abermals konnte fast die Hälfte nicht beurteilen, inwiefern eine „Kooperation mit einem bereits international etablierten IKT-Unternehmen förderlich” sein kann. Die andere Hälfte stimmt dem aber überwiegend zu.
Aus diesen Ergebnissen lässt sich ablesen, dass junge IKT-Start-ups und Großunternehmen noch stärker den Nutzen einer gegenseitigen Kooperation ins Auge fassen und einige Schritte aufeinander zu gehen müssen.

Es fehlt immer noch an Vernetzung und mangelt an risikofreudigen Investoren (Quelle: Trendbarometer junge IKT-Wirtschaft 2014)
- These #2: Potenzielle Investoren bauen primär auf risikoarme Geschäftsmodelle mit hohem Marktpotenzial und meiden kostspielige Hardware-Gründungen.
Im Vergleich von Soft- und Hardware-Start-ups kommen erstere bei Geldgebern besser weg. Das Trendbarometer zeigt, dass 77 % der IKT-Gründer der These zustimmen, dass Investoren vor allem solche Geschäftsideen bevorzugen, bei denen im Voraus von einem geringen Risiko ausgegangen werden kann. Sogenannte Copycats sind hierbei besonders beliebt. Solche Geschäftsideen, die sich bereits in einem anderen Markt etabliert haben und in ihrem groben Konzept einfach übernommen und verfeinert werden können, stellen kostenintensive Hardware-Start-ups, die womöglich erst einen Prototyp bauen und Patente anmelden müssen, in Bezug auf das Risiko und die Kosten in den Schatten. Dennoch sind es die Unternehmen im Bereich der IKT-Hardware, die stärker gewünscht werden. Die produzierenden Unternehmen seien es schließlich, die häufiger skalierbare Geschäftsmodelle haben und somit eher als wissensintensive Dienstleistungen zu den stark wachsenden Unternehmen zählen.
So fällt das Urteil über die Risikobereitschaft hiesiger Investoren wie folgt aus. 40 % der befragten IKT-Gründer stimmen der Aussage zu, dass „den Investoren im Bereich der IKT-Hardware die notwendige Bereitschaft zum Risiko fehlt, um die Produkte zum Erfolg zu führen”. Es liegt also nicht daran, dass es keine guten Ideen in Deutschland gibt, sondern noch zu viele scheue Geldgeber. Hohe Kosten für die Produktentwicklung bedeuten ein hohes Risiko, das Investoren nur ungern eingehen. Diese Hemmungen führen aus Sicht der IKT-Start-ups zu zwei Effekten:
Erstens werden Software-Gründungen jenen im Hardware-Bereich vorgezogen. Zweitens werden innerhalb der Software-Gründungen jene bevorzugt, die sich als risikoarme Nachahmergründungen auszeichnen.
Was für ein Licht wirft das auf unsere Gründernation?
- These #3: Mit Blick auf die demographische Entwicklung steigen die Chancen für ältere Gründerinnen und Gründer.
Ausgehend vom demographischen Wandel wird vermutet, dass in Deutschland das Durchschnittsalter von Gründungswilligen steigen wird. So wird die Gruppe der 46- bis 55-Jährigen wachsen und jene der 36- bis 45-Jährigen als größte Gruppe ablösen. Weitere Gründe für die älter werdenden Gründerjahrgänge sind laut RKW Kompetenzzentrum die verlängerte Lebensarbeitszeit, die steigende Lebenserwartung und der Wunsch nach einem aktiven Alter.
Dieser Entwicklung sieht man positiv entgegen, da zu den Stärken älterer Gründer Lebens- sowie Berufs- und Branchenerfahrungen zählen. Zudem sagt man ihnen Führungserfahrungen, eine gute Vernetzung sowie Sicherheiten durch Eigenkapital nach. So rechnen die für den Trendbarometer befragten IKT-Gründer mit hohen (Erfolgs-)Chancen für die sogenannten Silver Entrepreneurs.

2014 lag das durchschnittliche Gründungsalter im IT-Sektor bei 38 Jahren (Quelle: RKW Kompetenzzentrum, Trendbarometer junge IKT-Wirtschaft 2014)
Was können (IKT-)Gründer in Anlehnung an die drei ausgewählten Thesen aus dem aktuellen Trendbarometer des BMWi ziehen? Wir sagen: Es gilt die Relevanz eines Netzwerks in der Branche nicht zu unterschätzen. Zugang erhält man beispielsweise durch die Teilnahme an einem Gründerwettbewerb, der für seine Schützlinge Kontakte zu erfahrenen Unternehmern herstellt. Aber auch andere Gründerinitiativen und bundesweite Netzwerk-Events rufen dazu auf, Gesprächs- und Geschäftspartner zu treffen. Besonders in der Branche der Informations- und Kommunikationstechnologie sind Kontakte unabdingbar, vor allem wenn eine frühe Internationalisierung angestrebt wird. Hier können große Unternehmen, die Kooperationen und Corporate Venture Capital bieten, den Zugang zu neuen Märkten erleichtern.
- Alle Thesen und Grafiken finden sich im vollständigen Trendbarometer junge IKT-Wirtschaft 2014.