Crowdinvesting hat sich in der Start-up Finanzierung etabliert – doch ein neuer Gesetzesentwurf scheint dies zu gefährden. Zudem werfen wir einen Blick voraus auf den Crowd Dialog in München und zurück auf das Crowdinvesting Symposium in München. Abschließend gibt es noch 5 Tipps zu einer Crowdfunding Kampagne von Startnext.
Wie viel Kapital hat die Crowd für Projekte und Start-ups im ersten Halbjahr 2014 zur Verfügung gestellt? Die Antwort: über 12 Mio. Euro – so das Ergebnis unserer Studie. Dementsprechend überlegen zunehmend mehr Start-ups auf Kapitalsuche, ob ein Crowdinvesting im Rahmen ihrer Finanzierungsstrategie Sinn macht. Im Interview mit dem früheren Dealflow-Manager von Seedmatch Denis Jung sprachen wir über die Vorbereitungen für ein solches Projekt. In unserer Rubrik Geschäftsideen haben wir Ihnen kürzlich bereits drei ebenso erfolgreiche wie verrückte Crowdfunding-Projekte vorgestellt.
Für den Terminkalender: Crowd Dialog, Crowdday und Crowdbiz
Die zweite Jahreshälfte 2014 ist mit einigen Veranstaltungen rund um die Schwarmfinanzierung gespickt. Für Kurzentschlossene lohnt sich am 14.08. ein Ausflug an die Ostsee zum Crowd Day. Auf der Traditionsrennbahn Bad Doberan dreht sich von 10 bis 18 Uhr alles rund um die Finanzierung durch die Crowd. Weitere Details finden Sie auf der Crowdday-Website.
Im Oktober steht dann die crowdbiz 2014 in Berlin auf dem Programm. Wie im Vorjahr findet die crowdbiz im Rahmen des Börsentages statt. Viele Details sind derzeit noch nicht bekannt – aber vormerken kann man sich den Termin auf alle Fälle: mehr erfahren.
Das vermutlich größte Event zu Crowdfunding, Crowdsourcing und Crowdinnovation findet jedoch am 20. November in München statt. Über 40 Referenten aus der Szene werden aktuelle Entwicklungen diskutieren und Einblicke vermitteln. Zudem wartet die Veranstaltung mit Intensiv-Workshops auf. Für Start-ups dürfte insbesondere auch die Poster-Session interessant sein, auf der sich 10 ausgesuchte junge Unternehmen der Szene mit ihren Ideen präsentieren können. Eine Anmeldung zur Poster-Session ist hier möglich. Auf Für-Gründer.de finden Sie weitere Informationen zum Crowd Dialog.

Eindrücke vom Crowd Dialog 2013
Rückblick auf das 2. Crowdinvesting Symposium
Auch in diesem Jahr fand das Crowdinvesting Symposium an der LMU in München statt – organisiert u.a. von Dr. Lars Hornuf, der uns bereits vor einiger Zeit rund um die Schwarmfinanzierung aus wissenschaftlicher Sicht Rede und Antwort stand. Wer nicht am Crowdinvesting Symposium teilnehmen konnte, findet eine Reihe an Präsentationen und Videos der Vorträge online auf der Website der LMU. Zudem haben wir mit Herrn Dr. Hornuf über sein Fazit zur Veranstaltung und einen regulatorischen Ausblick gesprochen.
Für-Gründer.de: Hallo Herr Dr. Hornuf, welches Fazit ziehen Sie in Bezug auf das Crowdinvesting Symposium, das Anfang Juli in München nun zum 2. Mal stattfand?
Dr. Lars Hornuf: Es gibt bis heute keinen einheitlichen Standard, wie ein Crowdinvesting-Portal bestmöglich operieren sollte. Dass die Crowdinvesting-Portale immer noch experimentieren, hat aber auch Vorteile: Die Investoren können nämlich das vertragliche und regulatorische Risiko minimieren, indem sie ihr Portfolio über mehrere Portale hinweg diversifizieren. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass alle Portale die gleichen operativen und vertraglichen Fehler begehen. Allgemein findet eine Professionalisierung der Anbieter statt.
Mein persönlicher Eindruck war zudem, dass Crowdinvesting in Deutschland an eine Kapazitätsgrenze gestoßen ist. Dass zukünftig wesentlich mehr Portale und Projekte auf diesem Markt Platz haben, wage ich zu bezweifeln.
Für-Gründer.de: Das Motto war After Crowdinvesting: Anschlussfinanzierung, Exit Strategien und Verwässerungsschutz – welche An- und Einsichten wurden hier zutage gefördert?
Dr. Lars Hornuf: Das Thema ist und bleibt komplex. Professor Schwienbacher hat noch einmal auf die Unterschiede beim Verwässerungsschutz hingewiesen. Zu einer prozentualen Verwässerung kommt es bei zukünftigen Finanzierungsrunden immer. Die eigentliche Frage ist, ob auch eine wirtschaftliche Verwässerung eintritt, d.h. ob meine ursprünglich gekauften Anteile durch eine neue Finanzierungsrunde an Wert verlieren. Der Vortrag ist auch als Video abrufbar.

Dr. Lars Hornuf ist an der LMU München tätig und forscht zum Thema Crowdinvesting
Was mögliche Exit Strategien und eine Anschlussfinanzierung anbelangt, so wurde vor allem auf Angel Investoren und Venture Capital Bezug genommen. Dass dieser Kanal funktionieren kann, haben einige erfolgreiche Exits bereits bewiesen. In welchem Ausmaß Angel Investoren und Venture Capital Funds die Crowd-finanzierten Start-ups weiterfinanzieren werden, bleibt jedoch abzuwarten.
Fraglich ist auch, wie viele Start-ups eine Rückzahlung der stillen Beteiligungen oder partiarischen Darlehen zukünftig aus eigener Kraft schaffen werden.
Für-Gründer.de: Am Vormittag gab es auch eine geschlossene wissenschaftliche Tagung – können Sie uns hier ein paar Highlights vorstellen?
Dr. Lars Hornuf: Die wissenschaftliche Forschung beschäftigt sich zunehmend mit anspruchsvolleren Fragestellungen. Anfänglich wurden häufig nur Erbsen gezählt. Mittlerweile können aber wesentlich größere Datensätze ausgewertet und komplexere statistische Verfahren angewendet werden. Im Mittelpunkt stehen vor allem Fragen des Investorenverhaltens, der Best Practice der Portale und natürlich immer noch der Regulierung. Im kommenden Jahr wird unsere DFG Forschergruppe hierzu erste Ergebnisse vorstellen können.
Für-Gründer.de: Ein derzeit heißes Thema mit dem auch Sie sich beschäftigen, ist die Regulierung – welche Trends sehen Sie da derzeit in Deutschland und Europa?
Dr. Lars Hornuf: Mit dem Referentenentwurf eines Kleinanlegerschutzgesetzes hat der deutsche Gesetzgeber bereits einen Regulierungsvorschlag vorgelegt. Einerseits sollen die Investoren durch Investmentobergrenzen und die Unterzeichnung des Vermögensanlage-Informationsblattes bei Investments über 250 Euro geschützt werden. Andererseits soll das Crowdinvesting weiterhin einer Ausnahmeregelung unterliegen, so dass Start-ups nun bis zu 1 Million Euro ohne Wertpapierprospekt emittiert dürfen. Wichtig ist, dass das Vermögensanlageprospekt auf partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen ausgedehnt und damit eine Gesetzeslücke geschlossen wurde. Im Jahr 2016 soll die deutsche Crowdinvesting Regulierung überprüft werden. Wir möchten zum 3. Crowdinvesting Symposium 2015 schon eine erste Zwischenevaluierung vorlegen.
Der Referentenentwurf der Bundesregierung im Detail
Wie im Interview bereits angeklungen hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf mit dem Titel Kleinanlegerschutzgesetz vorgelegt – kurz vor der vermeintlichen Sommerpause am 27. Juli. Ausgangspunkt für den Entwurf ist, dass die Bundesregierung festgestellt haben möchte, dass Anleger durch ihre Investments in bestimmte Produkte in jüngster Zeit erhebliche Vermögenseinbußen erlitten haben sollen. Welche Produkte konkret gemeint sind, wird jedoch offen gelassen. Die Spanne der jüngeren Vergangenheit reicht hier sicherlich von Staatsanleihen über Aktien bis hin zu Unternehmensanleihen – prominent war hier das Beispiel Prokon – aber somit in Summe eigentlich eine Vielzahl klassischer Kapitalanlageprodukte.
Als maßgeblichen Fehler – und dies ist besonders interessant – machen die Verfasser des Entwurfs aus, dass die Produkte nur eingeschränkt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterlagen, sprich, ob ein Mitarbeiter der BaFin im Vorfeld mal drüber gelesen hat. Zudem sollen die Anleger dem Irrglauben hoher Rendite ohne Risiko aufgesessen sein. Somit soll es nun erneut Ziel sein, den Schutz der Anleger zu verbessern und die Kompetenzen der BaFin zu erweitern.
Was ist neu im Referentenentwurf?
- Als Vermögensanlagen werden nun explizit Anteile, die einen Ergebnisanteil am Unternehmen gewähren, partiarische Darlehen, Genussrechte oder Nachrangdarlehen definiert, die Crowdinvesting Plattformen bisher nutzten.
- Eine Prospektpflicht besteht nun bei Emissionen von jenseits 1 Mio. Euro und bei Einzelbeträgen von über 10.000 Euro je Anleger.
- Ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (kurz VIB) ist Investoren ab einem Einzelinvestment von 250 Euro zur Verfügung zu stellen, das unterschrieben per Post zurückgeschickt werden muss. Das VIB muss auf maximal drei Seiten über das Angebot und die Vermögenslage informieren.
- Wenn die Befreiungsregelungen genutzt werden sollen, müssen die Plattformen der Regulierung nach § 34f, 34h oder § 34 c der Gewerbeordnung oder Kreditwesengesetz oder Wertpapierhandelsgesetz unterliegen.
- Eine Kündigung der Anteile soll nur mit einer Frist von 12 Monaten möglich sein.
- Wenn ein Prospekt vorgelegt wurde, gelten zusätzliche und nachgelagerte Regelungen zur Veröffentlichung.
- Auch für die Bewerbung der Vermögensanlagen gibt es neue einschränkende Richtlinien, wobei die Werbung im Zweifel auch komplett verboten werden kann.
Die Ausnahme bei der Prospektpflicht zielt dabei nach Angaben des Entwurfs speziell auf Crowdfunding und Crowdinvesting-Plattformen ab. Sie sollen weiterhin kleine und mittlere Unternehmen bei der Finanzierung unterstützen können. Ein nobles Ziel, doch die Branche sieht dies etwas anders:
Bereits nach einer ersten Durchsicht ist für uns offensichtlich, dass der Gesetzesentwurf das Fortbestehen von Crowdinvesting in Deutschland erheblich bedroht. (Companisto, 1. August 2014)
Wir halten den vorliegenden Entwurf für nicht tragbar und erwarten, dass sowohl Exekutive als auch Legislative an dem Entwurf noch Änderungen vornehmen, um die Crowdfunding-Branche inDeutschland nicht zu gefährden. (German Crowdfunding Network, 7. August 2014)
Und auch der Branchenverband BITKOM, der seit einiger Zeit sein Faible für Start-ups entdeckt hat, kommentierte den Entwurf am 31. Juli 2014:
Die Pläne der Bundesregierung für ein neues Gesetz zum Kleinanlegerschutz gefährden die Finanzierung von Start-ups in Deutschland.
Auf der Website des Bundesfinanzministeriums finden Sie den vollständigen Referentenentwurf zum Kleinanlegerschutzgesetz.
Und nun wie weiter?
Ihrem Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, nämlich der Crowdfinanzierung einen verlässlichen Rechtsrahmen zu geben, ist die Regierung wohl nachgekommen. Ein anderes Ziel, mehr Wagniskapital in Deutschland und Investitionen in junge Unternehmen zu befördern, dürfte aber damit eher ein Stück weiter in die Ferne gerückt sein. Natürlich gilt es, riskante Anlageformen zu regulieren – aber auch Gewinnwarnungen an der Börse können binnen Sekunden riesige Werte vernichten. Insofern ist eine Regulierung, die ohnehin nur zum Anlagezeitpunkt greift ohnehin zu kurz gedacht.
Wir sehen viele kritische Punkte der Diskussion (exemplarisch sei hier auf das Statement von Companisto verwiesen) ebenso. Grundsätzlich dürfte ein durch die BaFin abgenickter Prospekt keine zusätzliche Anlagesicherheit gewährleisten – so hat die BaFin nach Angaben der SZ auch einen Prokon-Prospekt genehmigt. Aufklärung der Anleger wird auch nicht durch mehr und mehr Sicherheitshinweise erreicht, sondern vielmehr durch eine viel breiter gesellschaftlich angelegte finanzielle Allgemeinbildung. Insgesamt sollte sich die Bundesregierung zudem an Regelungen in anderen europäischen Ländern orientieren, damit hier keine Wettbewerbsnachteile entstehen.
Man darf gespannt sein, welchen Einfluss die Branche noch nehmen kann, um Änderungen im Entwurf der Referenten anzustoßen. Vielleicht hat ja die Sommerpause bei den Politikern auch geholfen, den Kopf ein wenig frei zu bekommen.
Zum Abschluss: 5 Tipps für eine Crowdfunding Kampagne
Theresa Koppler von Startnext gibt im nachfolgenden Video 5 Tipps für eine Crowdfunding Kampagne – weitere Videos dazu gibt es kostenfrei auf der Plattform The Do School.