Der Zug fährt in den Bahnhof. Diese Szene, die die Gebrüder Lumière 1895 in einem Pariser Café gezeigt haben, steht heute für viele stellvertretend für den ersten Kinofilm der Welt. Experten mögen sich darüber streiten. Unstrittig ist jedoch, dass fast jeder von uns mit dem Kino unvergessliche Momente verbindet. Für blinde und gehörlose Menschen ist das anders – zumindest bisher. Das Berliner Start-up Greta & Starks hat eine Lösung entwickelt und dafür den Publikumspreis beim diesjährigen KfW Award Gründen erhalten.
Auslöser für die Entwicklung von Greta & Starks war ein persönliches Erlebnis der Gründerin Seneit Debese, die zuvor selbst im Bereich Filmverleih tätig gewesen ist:
Während der Dreharbeiten über eine blinde Läuferin, Kidi, habe ich im Gespräch mit ihr erfahren, dass sie viele sehende Freundinnen hat, mit denen sie in der Freizeit viel unternimmt. Nur ins Kino, meinte Kidi, da könne sie nicht mit, weil sie der Filmhandlung nicht richtig folgen könne. Diese Begegnung hat mich tief bewegt.
Und die Frage, warum immer noch so viele Menschen von einem gemeinschaftlichen Kinoerlebnis mit Freunden und Familie ausgeschlossen sind, hat die Gründerin nicht mehr losgelassen:
Schließlich haben wir die Technologie, um zum Mond zu fliegen, aber so etwas Simples wie tolle Kinomomente zusammen in einem Kinosaal zu erleben, das blieb unzugänglich. Genau das wollte ich ändern und so entstanden die beiden Apps Greta & Starks.

Und so funktionieren die Smartphone-Apps
Grundlage für das barrierefreie Kino sind die gleichnamigen des Unternehmens Greta & Starks. Für blinde Zuschauer liefert die App Greta akustische Filmbeschreibungen (Audiodeskription). Für gehörlose Kinobesucher werden hingegen durch Starks Untertitel abgespielt. Die Synchronisation der Apps erfolgt denkbar einfach über den Soundtrack des Films. Dadurch finden die Apps unabhängig von einem bestimmten Kinosaal sowie in jedem Open Air Kino die richtige Stelle. Dies hat nicht nur Vorteile für die Nutzer. Auch Kinobetreiber müssen durch den Einsatz der Apps nicht mehr in teure und wartungsaufwendige Technik investieren.
So einfach war barrierefreies Kino noch nie, weder für den Kinobetreiber noch für die Kinobesucher.
Und wer bezahlt für den Service?
Wichtig ist es für Debese zu betonen, dass die Apps für die Nutzer – also blinde, sehbeeinträchtigte, gehörlose oder hörbeeinträchtigte Kinofans – kostenlos ist. Für die initiale App-Entwicklung hat Greta & Starks Fördermittel zum Beispiel vom Medienboard Berlin-Brandenburg oder der Investitionsbank Berlin (IBB) erhalten. Das Geschäftsmodell besteht vielmehr darin, dass der Filmverleih Greta & Starks beauftragt und für die Bereitstellung der barrierefreien Fassungen bezahlt. Diese Kosten für den Verleih sind wiederum förderfähig. Und so ist bereits Bewegung im Markt, wie die Gründerin ausführt:
Einige Verleiher, wie Disney und Universal, sind sehr engagiert und lassen auch für internationale große Blockbuster die Audiodeskription und Untertitel erstellen.
Auf der Habenseite des Unternehmens stehen mehr als 370 barrierefreie Filme mit über 270.000 Kinobesuchen. Neben den Filmverleihern setzen aber auch Festivals wie die Berlinale auf die Apps. Und 400 offizielle Partnerkinos sind im Greta & Starks Netzwerk vertreten. Auf der Website von Greta & Starks finden sich übersichtlich geordnet alle Filme, die für den Nutzer barrierefrei per App angeschaut werden können.

Die Apps waren erst der Anfang
Im nächsten Schritt der Unternehmensentwicklung fokussiert sich das Team auf ein Headset, das Untertitel auf die Leinwand projiziert. Neben gehörlosen Zuschauern können davon auch fremdsprachige Kinobesucher profitieren. Künftig wird es auf Basis dieser Augmented Reality Technologie auch möglich sein, Untertitel in verschiedenen Sprachen sowie vielfältige Sprachfassungen für ein internationales, fremdsprachiges Publikum zur Verfügung zu stellen. Die Vision dahinter beschreibt Debese wie folgt:
Dadurch können bald Menschen verschiedener Nationalitäten und Sprachen mit und ohne Behinderung gemeinsam im Kino über den gleichen Witz lachen und in den Dialog treten können.
Dieser Service wird allerdings kostenpflichtig sein und für die Fertigstellung des Headsets wird demnächst eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter in Angriff genommen.
Greta & Starks überzeugte beim KfW Award Gründen
Nachdem das Unternehmen bereits als Landessieger Berlin feststand, ging auch der mit 5.000 Euro dotierte Publikumspreis, der im Rahmen der feierlichen Preisverleihung durch die anwesenden Gäste durch SMS Voting vergeben wurde, an das Start-up. Für die Gründerin eine Überraschung:
Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, nur darauf gehofft. Natürlich habe ich mich dann riesig gefreut, dass unter all den tollen innovativen Ideen wir gewählt wurden.
Sowie Bestätigung ihrer Arbeit:
Es ist einfach toll zu sehen, wie unsere Vision von einem 100% barrierefreiem Kino anerkannt und gewürdigt wird. Das zeigt, wie relevant die Thematik und wie innovativ unsere Technologie ist. Die Auszeichnung ist eine wichtige Bestärkung für uns, so weiterzumachen und es setzt ein Zeichen an unsere Partner, Unterstützer und Auftraggeber, dass sie mit uns auf jeden Fall auf dem richtigen Weg sind.
Habt ihr auch das Zeug zum Preisträger?
Die Sieger des KfW Award Gründen 2017 sind gekürt. Doch auch 2018 wird es wieder eine Wettbewerbsrunde geben, für die sich Gründer und Unternehmer bewerben können. Der Wettbewerb startet im Mai 2018, bereits jetzt könnt ihr euer eigenes oder ein anderes Unternehmen vorschlagen, das den Preis verdient.
Wer mehr über den KfW Award Gründen erfahren möchte, besucht direkt die Seite der KfW. Dort findet ihr auch viele weitere Bilder, Filme, Porträts und Hintergrundinformationen zu allen Preisträgern.
- Der KfW Award Gründen ist ein bundesweiter Gründerwettbewerb. Jedes Jahr werden Jungunternehmer gesucht, die einen Mehrwert mit ihrer Geschäftsidee schaffen und soziale Verantwortung übernehmen. Im Fokus stehen innovative Geschäftsmodelle, originelle Produkte bzw. Dienstleistungen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltiges Unternehmertum. Vergeben werden mit Preisgeldern dotierte Landespreise, ein Bundessieg, ein Publikumspreis sowie ein Sonderpreis. Die Jury wird von Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Medien, Landesförderinstituten und Industrie- sowie Handelskammern besetzt. Für-Gründer.de unterstützt den KfW Award Gründen als Medienpartner.
Der Beitrag Dank dieser zwei Apps wird Kino auch für Blinde und Gehörlose zum Erlebnis erschien zuerst auf GründerDaily - Deine tägliche Dosis Unternehmertum.