Heute veröffentlichen wir zum letzten Mal unseren Crowdfinanzierungs-Monitor. Die Ergebnisse für das Jahr 2016 sind aus Sicht der Start-up-Finanzierung ernüchternd. Faktisch tritt der Bereich jedoch schon seit 2013 auf der Stelle. Der anfängliche Hype ist verflogen. Einen Boom erleben nun Immobilien. Doch was ist der Grund? Unser Fazit aus sechs Jahren Crowd.

15,8 Mio. Euro haben Start-ups in 42 Finanzierungsrunden per Crowdinvesting im Jahr 2016 eingesammelt. Im Vorjahr waren es noch 17 Mio. Euro, folglich also ein Minus um 7 %. 2014 und 2013 sah es mit 14,7 und 15,0 Mio. Euro nahezu identisch aus. Das Finanzierungsvolumen hat sich somit in den letzten vier Jahren kaum verändert. Eine Entwicklung wurde bei der Beurteilung des Marktes häufig übersehen: Zwar wurden die Finanzierungsrunden über die Jahre deutlich größer, aber ihre Zahl ging spürbar zurück. Von 66 im Jahr 2013 auf nun 42 im Jahr 2016. Sprich: immer weniger Start-ups haben die Finanzierung per Crowdinvesting gesucht. Gleichzeitig versuchten die Plattformen neue Anlageklassen zu erschließen: ökologische Projekte, Filme und Immobilien standen nun im Fokus. Gezündet haben lediglich die Immobilien.
Wir haben bereits in früheren Ausgaben unseres Monitors die Frage aufgeworfen, ob die Anlageklasse Immobilien förderlich für den Gesamtmarkt ist oder die Start-up-Finanzierung aufgrund des schlechteren Risikoprofils darunter leiden wird. Die Crowd hat nun entschieden: für Immobilien und gegen Start-ups.
Während die ersten Start-ups im Jahr 2011 Kapital aus der Crowd aufgenommen haben, startete die Immobilienfinanzierung über Plattformen erst drei Jahre später. 2015 machte die Finanzierung für Immobilien dann aber bereits knapp drei Viertel des Volumens für Start-ups aus. 2016 übertraf das für Immobilien eingesammelte Kapital das Finanzierungsvolumen für Start-ups um 136 %. Deutlicher geht es wohl kaum noch.

Und nachdem es in den Anfangsjahren des Crowdinvestings einen Boom der Plattformen gegeben hat, die viele kleine Investoren für Start-ups gewinnen wollten (Anmerkung am Rande: zu Hochzeiten gab nahezu so viele Plattformen, wie es im Jahr 2016 an Finanzierungsrunden gegeben hat), sprießen nun Crowdinvesting-Plattformen für Immobilien aus dem Boden.
Ursachenforschung
Wir begleiten den Markt für Crowdfinanzierung bereits seit 2011. Und natürlich hat auch uns am Anfang die Euphorie ergriffen. Lauter kleine Business Angels, die die chronisch kapitalarmen Start-ups unterstützen und dabei noch das nächste Facebook finden und sich über eine attraktive Rendite freuen können. Deutsche Plattformen haben damit auch weltweit eine Vorreiterrolle eingenommen. Es hätte so schön sein können.
Doch irgendwie ist der Markt falsch abgebogen. Plattformen sind wie Pilze nach einem Herbstregen aus dem Boden geschossen. Und noch bevor ein kritisches Marktvolumen erreicht werden konnte, wurden Verbände und Arbeitsgruppen gegründet. Völlig überzogen für die damalige Bedeutung des Marktes. Doch anscheinend wollte jeder sein Stück vom Kuchen abhaben und dabei ging der Blick für das Wesentliche verloren. Eine Plattform kam gar mit einer Banklizenz um die Ecke und wollte den kontinuierlichen Handel mit Start-up-Anteilen ermöglichen. Ich möchte an dieser Stelle zwei wichtige Faktoren aufzeigen, an denen der Markt heute noch leidet:
- Vertragsgestaltung: woraus sich eine schwache Position der Crowdinvestoren ergibt und eine attraktive Rendite kaum möglich ist
- Rolle der Plattformen: diese sind zwar maßgeblich für den Dealflow verantwortlich, ziehen sich nach dem Funding aber zurück
Obwohl die Crowdinvestoren häufig die ersten externen Investoren bei den Start-ups sind, ist ihre rechtliche Position denkbar ungünstig. Ein klassischer Business Angel hat wesentlich mehr Rechte. Dies liegt natürlich auch in der Natur der Sache – schließlich investiert der Business Angel 50.000 oder 100.000 Euro, während viele Crowdinvestoren mit unter 1.000 Euro einsteigen. Eine geeignete Vertragsgestaltung ist damit wie die Suche nach dem Stein der Weisen. Doch mit der rechtlich schwachen Position ergeben sich auch negative Effekte für eine mögliche Rendite. Eine zu Beginn des Investments festgelegte Vergütung auf Multiple-Basis, die sich an den naturgemäß zu hohen Planzahlen eines Start-ups orientiert, kann nicht zu einer angemessenen Rendite führen.
Aus meiner Sicht ist auch die Rolle bzw. das Selbstverständnis der Plattform nach wie vor ein großes Problem. Besonders deutlich wird dies im Falle von Pleiten. Hier weisen die Plattformen dann schnell darauf hin, dass sie hierfür nicht verantwortlich sind und Start-ups natürlich häufig scheitern – und dies müsse doch jedem Investor bewusst sein.
An dieser Stelle vergessen die Plattformen allerdings, dass sie selbst maßgeblich die Entscheidung für die Finanzierung dieses Start-ups getroffen haben. Schließlich sind sie für den Dealflow verantwortlich und entscheiden, welches Start-up auf die Plattform kommt. Dies ist in gewisser Weise auch ein Dilemma: denn welche Interessen soll die Plattform eigentlich vertreten? Bezahlt wird sie vom Start-up. Doch für die Finanzierung benötigt sie die Investoren. In der Theorie wird dies Prinzipal-Agenten-Problem genannt.
Das Start-up ist natürlich an einer möglichst hohen Bewertung interessiert. Bei Investoren ist es jedoch genau andersherum. Doch wenn die Plattform zu hart gegenüber dem Start-up verhandelt, zieht das Unternehmen gegebenenfalls zu einer anderen Plattform. Ist die Plattform hingegen zu nachsichtig, schließlich müssen ja Gebühren erzielt werden, trägt der Investor den Schaden davon. Die Plattform kann folglich keine richtige, und vor allem neutrale, Entscheidung vor der Finanzierung treffen. Nach der Finanzierung nehmen die Plattformen dann allerdings diese neutrale Rolle zu gerne ein.
Sich auf die Position zurückzuziehen, dass der Investor frei in seiner Investitionsentscheidung ist, kann auch kein gangbarer Weg sein. Für ein 500 Euro-Investment lohnt sich das Lesen eines Businessplans und die tiefergehende Analyse eines Start-ups einfach nicht. Sicher, dann sollen die Investoren einfach 5.000 Euro über 10 Start-ups streuen und dank der Portfoliotheorie wird schon alles gut. Das wird es eben, aufgrund der angeführten Schwachpunkte in der Vertragsgestaltung, nicht. Und außerdem könnte man dann auch lieber auf eine klassische Fondslösung setzen, bei der die Risikodiversifikation höher ist und der Portfoliomanager gleichzeitig eine deutlich stärkere Position gegenüber dem Start-up einnehmen kann.
Und noch eine Anmerkung zum Dealflow: hier stehen die Plattformen natürlich auch in einer starken Konkurrenz zu Business Angeln, die in der Vergangenheit immer aktiver wurden, und den professionellen VC-Gesellschaften. Wer bekommt wohl die besseren Deals?
In Summe legt dies den Schluss nahe, dass Start-up-Investments nach dem aktuellen Modell keine nennenswerte Zukunft haben – ein Marktwachstum sehe ich in der Start-up-Finanzierung jedenfalls nicht. Zudem stehen Start-up-Investments nicht nur in Konkurrenz mit Immobilien, sondern auch mit dem wachsenden Markt der Robo-Advisors im Fintech-Bereich.
Alternativen für Start-ups: neues Handelssegment der Deutschen Börse
Die Deutsche Börse AG wird zum 1. März ein Premiumsegment im Freiverkehr starten und damit den Entry Standard ersetzen. Getauft auf den Namen Scale soll das Segment auch Wachstumsunternehmen für die Kapitalaufnahme zur Verfügung stehen. Emittenten müssen jedoch eine Marktkapitalisierung von mindestens 30 Mio. Euro und eine zweijährige Firmenhistorie aufweisen. Außerdem müssen drei der folgenden fünf Kriterien erfüllt sein:
- Mindestumsatz von 10 Mio. Euro pro Jahr
- ein positiver Jahresüberschuss
- ein positives bilanzielles Eigenkapital
- mindestens 20 Mitarbeiter
- ein bisher eingesammeltes Eigenkapital in Höhe von 5 Mio. Euro
Zudem gelten weitere Transparenzanforderungen, die von den Unternehmen zu befolgen sind. Alle Details zu dem neuen Handelssegment findet ihr in einem Gastbeitrag der Kanzlei Dentons in unserem Crowdfinanzierungs-Monitor.
Weitere Ergebnisse aus dem Crowdfinanzierungs-Monitor 2016
Was hat sich sonst noch im Bereich Crowdfinanzierung getan? Das Segment Crowdlending konnte in Bezug auf an Gründer und Unternehmen vermittelte Kredite im Jahresvergleich zulegen. Ein Volumen von 76,7 Mio. Euro bedeuten ein Plus um 15 % gegenüber 2015. Im Bereich Crowdfunding fehlt es weiterhin an Impulsen und die Entwicklung wird maßgeblich durch Startnext getragen. 9,7 Mio. standen zum Jahresende 2016 zu Buche, im Jahr zuvor waren es 9,8 Mio. Euro. Alle Details zur Crowdfinanzierung im Jahr 2016 findet ihr in unserem aktuellen Crowdfinanzierungs-Monitor.
Goodbye Monitor
Gleichzeitig ist dies die letzte Ausgabe unseres Monitors. Vor dem Hintergrund unserer Zielgruppe der Gründer und Start-ups ist eine weitere Marktbetrachtung aufgrund der stagnierenden Marktentwicklung nicht mehr zielführend. Schließlich ging es aus unserer Sicht stets um die Frage, welche Finanzierungsalternativen für Gründer und junge Unternehmen zur Verfügung stehen. Wir wünschen den Plattformen den größtmöglichen Erfolg in der Zukunft. Vielleicht gelingt der Pivot.
Der Beitrag Crowdinvesting: Warum der Markt für Start-ups gescheitert ist erschien zuerst auf GründerDaily - Deine tägliche Dosis Unternehmertum.