Ich bin Antonio Vega, 31 Jahre alt und einer der Gründer des Zentralen Fundbüros (alias „Have it Back” für das internationale Publikum). Das Zentrale Fundbüro ist die erste Meta-Suchmaschine für Fundsachen und das größte Online-Fundbüro der Welt. Im GründerDaily berichte ich regelmäßig über meine Zeit beim German Accelerator im Silicon Valley. Im vorangegangenen Teil meines Erfahrungsberichtes beschrieb ich euch meine ersten Tage in San Francisco und im Valley. Heute erkläre ich euch, wie wir uns unseren ersten großen Kunden angeln wollen.
Es geht weiter in den Büros in San Francisco. Das Runway ist ein Großraumbüro, allerdings ganz ohne Wände oder den mir persönlich höchst unsympathischen Büroboxen. Nein, hier sind viele Start-ups auf einer Ebene, der ganze Raum surrt, alles wirkt äußerst lebendig. Meine neuen Nachbarn sind offen und helfen, wo sie können – ob bei persönlichen Empfehlungen oder vergessenen Ladekabeln. In dieser Woche gibt es auch eine Open House-Veranstaltung, zu der wir alle spontan (und kostenlos) eingeladen werden. Bei der dortigen Tombola mache ich natürlich mit, denn den Hauptpreis, den BB-8 Droiden aus dem neuesten Star Wars Film, möchte ich natürlich für mich haben. Was mir bis zu diesem Zeitpunkt allerdings gar nicht klar war. Und dabei wäre es auch besser geblieben, denn am Ende reichte es für mich nicht einmal zu einem Trostpreis.
It’s all about the network
Am Tag darauf geht es weiter mit dem Geschäft. Um den hiesigen Markt zu analysieren, nutze ich Erfahrungen, die ich bereits in Deutschland sammeln durfte. Ich hole mir direktes Feedback von B2B- und B2C-Kunden und stelle fest, dass Lost and Found in den USA ebenso problembehaftet ist wie in Deutschland. (Nach einer einwöchigen Umfrage am Düsseldorfer Flughafen, die wir im April durchgeführt hatten und in der wir hunderte internationale Passagiere und Mitarbeiter intensiv befragten, hätte mich ein anderes Ergebnis ehrlich gesagt auch verwundert.)
Die Location Directors verschiedener Autovermietungen erzählen mir, dass viel persönlich telefoniert werden muss und dass alles rund um das Thema Lost and Found ein arbeitsintensiver manueller Prozess ist.
Also nutze ich den Vorteil, den unsere Lösung mit sich bringt, und suche den ersten Kontakt zu größeren B2B-Kunden vor Ort. Unter anderem wende ich mich an den Flughafen San Francisco und die Stadt selbst. Beim Flughafen bekomme ich tatsächlich schnell einen Kontakt und wir sind derzeit dabei, einen Termin auszumachen. Das wird spannend! Unglaublich, wie schnell beim Accelerator alles vorangeht.
Nach zwei Wochen widme ich mich schließlich der spaßigen Seite meines Lebens hier in San Francisco. Heute Abend habe ich ein Date. Sie zeigt mir ein bisschen die Gegend, erzählt mir, was sie nach San Francisco verschlagen hat und am Ende schleust sie mich in eine Bar, die mir bis zu dem Zeitpunkt noch gar nicht aufgefallen war. Manche Dinge sind eben auch auf der anderen Seite des Teichs gleich – auch, dass ich weiterhin keinerlei Orientierungssinn habe.

“Über den Teich schauen” mit dem German Accelerator
Für den nächsten Morgen ist eine Session mit unserem Marketing-Mentor Simon angesetzt. Markus ist per Skype zugeschaltet und erlebt hautnah mit, wie Simon uns dazu zwingt, uns komplett aus dem „Lost and Found-Tunnel” herauszubewegen. Noch nie zuvor hat es jemand geschafft, uns den Blick für das Links und Rechts so zu öffnen. Ich will an dieser Stelle aber noch nicht zu viel verraten. Ob wir unsere neu entwickelten Ideen umsetzen? Vielleicht. Schätze, wir müssen uns erst einmal mehr Input holen und weitere Mentorenstunden mit ihm buchen. Auf diese Session folgt für uns eine Trainingseinheit mit unserem Leadmentor. Markus, Christian und ich überarbeiten zunächst unseren Pitch.
Der alte Pitch war zwar gut für Deutschland, für die USA ist er aber zu sehr auf das Produkt fokussiert.
Und das kommt hier nicht so gut an, ihr erinnert euch. Wir haben jetzt die Aufgabe, unseren Vortrag mit Hilfe von Storytelling für unser amerikanisches Publikum lebendiger und mitreißender zu gestalten. Als nächstes reden wir über unsere Ziele. Und zwar über die SMART Objectives.
Wem das nichts sagt: SMART setzt sich aus den Anfangsbuchstaben jener Attribute zusammen, die Unternehmensziele besitzen sollten. Gehen wir das gerade einmal durch:
- S für spezifisch. Hier muss sichergestellt werden, dass das gesetzte Unternehmensziel konkret und präzise formuliert ist.
- M für messbar. Der Punkt, an dem das Ziel erreicht ist, muss klar definiert sein. Ebenso müssen Instrumente, die es zur Zielerreichung braucht, genau festgelegt werden.
- A für aktionsorientiert. Natürlich muss man sich auch darüber im Klaren sein, welche konkreten Schritte nötig sind, um das Ziel zu erreichen. Von nichts kommt schließlich nichts.
- R für realistisch. Was nützen einem hochgesteckte Ziele, wenn man nicht in der Lage ist, diese zu erreichen? Deshalb muss bei der Planung dafür gesorgt werden, dass notwendige Ressourcen vorhanden sind.
- Und schließlich T für terminiert. Es muss entschieden werden, ob es sinnvoll ist, das Ziel genau zu diesem Zeitpunkt anzugehen (ansonsten kommt es leicht R in die Quere). Außerdem sollte man eine klare Timeline bis zur Zielerreichung setzen.
Da ich euch schon erzählt habe, dass ich mich auf die Suche nach B2B-Kunden begeben habe, hier einmal unser strategisches Unternehmensziel als Beispiel:
- Spezifisch: Den ersten US-Kunden im B2B-Bereich finden.
- Messbar: Unser Ziel ist erreicht, wenn wir (auch in verschiedenen Vertikalen) Pilot-User haben.
- Aktionsorientiert: Unsere wesentlichen Schritte sind, Networking zu betreiben, Marketing-Material zu produzieren, ein Ansatz-Strategie zu entwickeln, erste Meetings zu führen.
- Realistisch: Wir denken an diesem Punkt schon weiter, als es für die Erfüllung unseres Ziels nötig ist. Wir wollen Sales-Strategien für zukünftige Entwicklungen etablieren und den Kontakt mit den Big Playern der Branche initiieren. Im Einklang mit unserem S stellen wir so sicher, dass wir auch in Zukunft die nötigen Ressourcen haben.
- Terminiert: Den ersten US-Kunden wollen wir noch im vierten Quartal diesen Jahres im Sack haben. Und das ist verdammt realistisch.
So. Danach schneidet Christian das Thema Finanzen für die USA an. Es geht um Kostenplanung, d.h. darum, wie viel Geld wir brauchen, wie viel wir ausgeben, für Personal, Marketing und so weiter und so weiter… am Ende brummt mir der Kopf. Da werden wohl noch einige Sessions folgen!
Aber ausruhen geht nicht, danach wird unsere Accelerator-Gruppe wieder zusammengeführt, und zwar im Gebäude der Deutschen Bank in Palo Alto. Dort sollen wir vor versammelter Mannschaft (auch vor allen Mentoren) mal wieder unsere Geschäftsideen präsentieren. Ich teste unseren brandneu entwickelten Pitch. Die Präsentation dazu lasse ich via Chromecast laufen. Das Internet stockt kurz und mein Kurzclip hängt. Aber alles andere sitzt.
Anschließend findet ein geselliger Abend mit Bier und Tacos statt. Ausgezeichnete Kombination! Ich unterhalte mich ausgiebig mit anderen Mentoren und bekomme Feedback von ihnen. Dann plötzlich: Alle werden zum spontanen 30-Sekunden-Pitch gebeten. Am Ende des Tages gehe ich hier noch einmal völlig in meiner Aufgabe auf. Spontan und frei erzähle ich dem Publikum von Have it Back und genieße die Anerkennung – amerikanische Showmanship scheint mir zu liegen und auch Christian ist mit meiner Leistung zufrieden.
Umzug und Festivitäten statt grauer Alltag
In den nächsten Tagen ist ein Umzug angesagt. Wir bekommen ein neues Office zugewiesen, weil das in Palo Alto geschlossen wird. Von jetzt an sitzen wir in Redwood City in den GSVlabs. Hier ist es eher wie im San Francisco Office. Alles ist etwas durchmischter und „die Deutschen” sind zwangsläufig nicht mehr ganz so unter sich, was auch letztlich der Grund für den Umzug ist. Doch auch hier sind wir nur übergangsweise, denn die GSVlabs werden in zwei Wochen an einen anderen Standort ziehen und wir German Accelerator-Teilnehmer kommen selbstverständlich mit.

Am Runway Office in San Francisco ändert sich nichts, es steht weiterhin zur Verfügung. Dort habe ich schon einige neue Freunde gewonnen, die mich auch zum Pumpkin-Carving, also zum Kürbisschnitzen, eingeladen haben. Für einen künstlerischen Pflegefall wie mich kann sich das Ergebnis nachher sogar sehen lassen. Was mich – neben der Präsidentschaftswahl, Black Friday und Silvester – zu einem meiner vier persönlichen Highlights bringt, das die USA für mich in meiner Anwesenheit hier bereithalten: HALLOWEEN!
Auch in Deutschland schon mein Lieblingsfeiertag. Ich begehe ihn mit zwei Texanerinnen im Castro District, dem Schwulenviertel von San Francisco. Mein Kostüm: “Vambayer”, halb Vampir, halb Bayer und halb Killerclown, da mein Make-up sehr „professionell” aufgetragen wurde. In der Bar, in der wir feiern, kommt meine Lederhose, die ich zu diesem Anlass trage, sehr gut an und ich bekomme ein paar Drinks spendiert. Dass ich tatsächlich Bayer bin, verdient mir dazu auch noch ein paar Tequila (bleibt die Frage: Belohnung oder Strafe?).

Unser Businessmodell nimmt langsam Fahrt auf
Ansonsten funktioniert die Kommunikation mit unserem deutschen Office besser als gedacht, auch wenn das Internet manchmal nicht so will, wie man selbst. Kennt man ja und es wundert mich nur, dass es in der Tech-Metropole nicht besser ist. Wir koordinieren uns über Google Drive, Trello und E-Mail. Der Spaß steht derzeit eher nicht im Mittelpunkt, unsere Arbeit ist dafür zu intensiv. An den meisten Mentorensitzungen nimmt Markus per Skype teil. Wir funktionieren im Team nun mal am besten. Und nach all den LLP-Sessions („Lean.Launch-Pad”, für die Neueinsteiger) hat sich ein Begriff nun endlich auch bei unserem ganzen Team festgesetzt: „Focus, focus, focus!”
Wir entscheiden uns, für den US-Auftritt im B2B-Bereich eine ganz bestimmte Branche anzugehen und innerhalb dieser Vertikale zu wachsen, sogar zum Marktführer zu werden. Unser Dilemma: Entweder entscheiden wir uns für die Branche, in der viele kleinere Kunden schnelle Erfolge versprechen, die Umsätze aber verhältnismäßig niedrig sind. Oder wir wählen eine Branche mit längeren Vertriebswegen, dafür aber einem beachtlich höheren Return on Investment.
Nach intensiven Unterredungen mit verschiedenen Mentoren und untereinander entscheiden wir uns schließlich gegen die „low hanging fruit”.
Da unser Zielmarkt jetzt feststeht, können wir unseren Marketing-, Finanz– und Vertriebsplan fokussiert wie nie vorbereiten und umsetzen. Ich vereinbare Termine mit hochkarätigen Kunden, die hier in der Gegend sitzen, und feile mit den Mentoren an unseren Sales- und Pitchdecks: Für die expliziten Verticals, für Investoren, für das Marketing. Alle legen ein besonderes Augenmerk auf die individuelle Gewichtung. Und wir sind motiviert, alle Anspruchsgruppen effektiv mit Informationen zu füttern. Diese Chance bekommen wir sicherlich nur einmal pro Kontakt.
Hier scheint trotz der anbrechenden Winterzeit immer noch die Sonne. Eine Jacke hätte ich mir also sparen können.
Und langsam macht sich meine Sekundärmission an meiner Körpermitte bemerkbar. Die besteht nämlich darin, jeden Cheeseburger und Burrito der Stadt auszuprobieren.
Also nehme ich mir vor, ganz dringend mit Sport anzufangen. Ab nächster Woche. Fragt mich dann nochmal.
- Du hast meine bisherigen Erfahrungsberichte verpasst? Hier kannst du Teil 1 und Teil 2 meiner spannenden Erlebnisse im Silicon Valley nochmal nachlesen.
Der Beitrag Frankfurter Start-up goes Silicon Valley: „Vitamin B und viele überflüssige Kalorien“ [Teil 3] erschien zuerst auf GründerDaily - Deine tägliche Dosis Unternehmertum.