Der Start-up-Boom in Deutschland hält zwar an, aber der hiesige Markt gilt als hartes Pflaster, wenn es um Risikofinanzierungen geht. Viel Regulierung und risikoaverse Investoren erschweren die Kapitalsuche. Häufig müssen kapitalsuchende Gründer Kompromisse eingehen und für eine Anschlussfinanzierung viele Unternehmensanteile abgeben. Crossvertise-Gründer Matthias Völcker weiß um die Probleme der deutschen Start-up-Szene und berichtet im Interview mit unseren Kollegen von FINANCE-TV von seinen Erfahrungen. Wir fassen für euch die wichtigsten Punkte zusammen.
Obwohl sich inzwischen auch in Deutschland ein aktiver Venture Capital Markt etabliert hat und für innovative Geschäftsideen mehr Kapital zur Verfügung steht, sind die Investitionssummen im internationalen Vergleich, besonders mit Blick nach Amerika, eher niedrig. Um dennoch bereits zu Beginn der Gründung ausreichend Startkapital zu bekommen, geben Gründer häufig in den ersten Finanzierungsrunden zu viele Anteile ab, was im späteren Unternehmensverlauf zu Problemen, z.B. durch eine deutliche Abnahme der Motivation bei den Gründern, führen kann. Deshalb sollten sich Gründer bereits bei der Erstellung des Businessplans die Frage stellen, wie viel Geld sie tatsächlich für den erfolgreichen Unternehmensaufbau brauchen.
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Denn trennt man sich bereits zu Beginn von zu vielen Unternehmensanteilen, verliert man dadurch frühzeitig Mitbestimmungsrechte im eigenen Unternehmen. Das kann die Entscheidungsfindung bei der Unternehmensführung beeinträchtigen und zur Verlangsamung von Prozessen führen. Und am allerwichtigsten: Es kann die Motivation der Gründer wesentlich verschlechtern, woran weder dem Gründer noch dem Investor gelegen sein dürfte.
Außerdem sollte man nicht vergessen, dass sich der Wert eines Unternehmens im Zeitverlauf weiterentwickelt und optimalerweise steigt. Das bedeutet, eine korrekte Einschätzung des Potenzials ist zu Anfang schwierig, weshalb Anteile schnell unter Wert verkauft werden. Zudem stehen dem Gründerteam in weiteren Finanzierungsrunden möglicherweise nicht mehr ausreichend Anteile zur Verfügung, um zusätzliches Kapital durch die Abgabe weiterer Anteile aufzunehmen.
Auf der anderen Seite kann es aber auch ein großes Problem sein, wenn zu Beginn zu wenig Geld aufgenommen wird, um die eigenen Anteile zu schonen. Treten dann die im Businessplan prognostizierten Vorgaben nicht ein, kann das eigene Start-up schnell in eine Schieflage geraten. Ebenfalls ein Ereignis, das weder Gründer noch Investoren beim Abschluss der Finanzierung anvisieren.

Die goldene Mitte ist das Ziel
Aber wie findet man sie, die Balance zwischen nicht zu viel abgegebenen Anteilen auf der einen und ausreichend Kapital für die Startphase auf der anderen Seite? Als Gründer sollte man sich bereits vorab mit den angesprochenen Investoren, deren Zielen und dem bisherigen Investitionsverhalten auseinandersetzen. Außerdem sollte man in die Verhandlungen bereits mit einem klaren Plan gehen, wie viel Anteile man maximal bereit ist abzugeben. Ebenfalls klar sein sollte, wie viel Geld man genau für welchen Zeitraum benötigt, inklusive Liquiditätsreserven. Ein solide Liquiditätsplanung ist hier unerlässlich.
Investoren vergeben ihr Kapital in der Regel prozyklisch und orientieren sich oft an aktuellen Trends (Hype). Dessen sollten sich Gründer bewusst sein und bei der eigenen Kalkulation berücksichtigen. Bewegt man sich im Trendthema, kann man durchaus optimistischer in die Verhandlungen gehen.
Außerdem investieren Geldgeber in der Regel strategisch und passen den von ihnen gewünschten, optimalen Investitionszeitpunkt ab. Viele Investoren versuchen früh einen Hype aufzuspüren, um als Erste in einen zukünftig wachsenden Markt mit viel Potenzial zu investieren. Je früher sie dort vertreten sind, desto größer sind zwar die Risiken, die sie mit ihrem Investment eingehen. Andererseits wächst aber auch die Renditechance, je eher man einen neuen Trend entdeckt. Andere Investoren dagegen setzen auf bereits stark wachsende Märkte oder steigen gar später ein. Auch dieses Investitionsverhalten und den Reifegrad des eigenen Produkts sollte man sich bewusst machen.
Als Gründer ist es wichtig, die Verhaltensweisen der Investoren sowie die eigene Branche genau zu kennen, um die eigenen Anteile korrekt zu bepreisen.
Fallbeispiel Crossvertise
Crossvertise hat es mit seiner eigens entwickelten Technologie geschafft, den Prozess der Werbebuchung zu vereinfachen. Über das Unternehmen können KMUs Werbung aller Art von Online- und Offline-Medien einbuchen. Crossvertise liefert seinen Kunden darüber hinaus Marktdaten und übernimmt die komplette Abwicklung. Für den Kunden vereinfacht das den Werbeprozess und spart Kosten bei der Vermarktung des eigenen Produkts.
Diese Idee überzeugte auch die Investoren – vor fünf Jahren schloss Crossvertise seine erste Finanzierungsrunde ab und hat dies seitdem jährlich wiederholt.
Der Unternehmer Matthias Völcker rät aber anderen Gründern nur bedingt zu dieser Strategie, da jede Finanzierungsrunde Zeit und Nerven kostet.
Zudem entwickelt sich bei zu vielen Finanzierungsrunden eine komplexe Unternehmensstruktur, da durch immer neue Investoren immer mehr Parteien mit am Tisch sitzen und mitreden wollen. Dieser Captable konsolidiert sich in einer späteren Phase bei erfolgreicher Unternehmensführung aber wieder – neue Investoren kaufen dabei alten häufig ihre Anteile ab. Crossvertise hat darüber hinaus zur Wissenskonsolidierung und dem Pooling von Smart Money einen Fonds gegründet, um die investierenden Business Angels zu bündeln. Diese bringen neben Kapital auch viel Know-How mit ein.
Die vier wichtigsten Tipps für Finanzierungsrunden
Matthias Völcker gibt Start-ups folgende Tipps aus seiner Erfahrung der verschiedenen Finanzierungsrunden mit auf den Weg:
- Gründer sollten das Kapital nehmen, das sie von Investoren bekommen können. Gleichzeitig ist es aber immens wichtig, in den ersten Runden nicht zu viele Anteile abzugeben.
- Da Geld häufig erst bei Erfüllung von Meilensteinen ausgezahlt wird, sollte man zum Start nicht zu wenig Geld aufnehmen. Gründer sollten unbedingt den Fehler vermeiden, zu wenig Geld einzuplanen. Ein fehlender Puffer kann das Scheitern der Gründung bedeuten.
- Es ist wichtig, sich die richtigen Experten ins Boot zu holen und dabei nicht nur auf die Kosten zu blicken. Spart man beispielsweise bei den Anwaltskosten oder bei der Auswahl eines guten Steuerberaters, kann sich das langfristig negativ auf das Unternehmen auswirken.
- Es ist wichtig, über seine Idee zu sprechen. Außerdem sollte man sich den Rat von Branchenexperten einholen – auch, um einer möglichen „Betriebsblindheit“ vorzubeugen. Andere Meinungen sind wichtig, um den eigenen Markt besser einzuschätzen.
Fazit: Trends früh erkennen, kann bei Gründern und Investoren über den Erfolg entscheiden
Trotz vieler Probleme auf dem deutschen Venture Capital Markt sieht Matthias Völcker die Zukunft sehr positiv. Während es vor fünf Jahren noch sehr schwierig war, Investorenkapital zu bekommen, ist die Risikobereitschaft unter den Investoren – und damit die Möglichkeiten an Geld zu kommen – deutlich gestiegen. Auch die in der öffentlichen Wahrnehmung als unterentwickelt geltende deutsche Venture Capital Branche hat sich deutlich professionalisiert und kann mittlerweile viel Kapital zur Verfügung stellen. Verglichen mit den USA bleibt an dieser Stelle jedoch noch viel Aufholpotential.
Bei der Finanzierung ist es wichtig, sein Unternehmen und die Idee insgesamt einordnen zu können. Nicht immer ist der Gründer selbst daran schuld, wenn kein Kapital aufgetrieben werden kann. Entspricht eine Idee nicht dem aktuellen Trend, ist es schwierig, Kapital zu finden. Dann sollten sich Gründer frühzeitig nach anderen Finanzierungsformen umsehen.
Das vollständige Video-Interview mit Matthias Völcker könnt ihr bei FINANCE-TV abrufen.

Der Beitrag Die goldene Mitte finden bzw. wie viele Anteile Gründer abgeben sollten erschien zuerst auf GründerDaily - Deine tägliche Dosis Unternehmertum.