In Zeiten des digitalen Rundumschlags, wie man es die ganze Woche über von der CeBIT mitbekommen hat, verfolgt Umzugs-Unternehmensnachfolger Armin Aramesh die Strategie, nicht alles digitalisieren zu wollen, da er glaubt, dass dies schlecht für seine Kunden sei. Wie er das meint und wie es für ihn ablief, zusammen mit seiner Familie einen bereits bestehenden Betrieb zu übernehmen, erzählt er im heutigen Gründerinterview.
Für-Gründer.de: Hallo Herr Aramesh, bitte stellen Sie uns Umzugshelfer-Berlin.de kurz vor.
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de: Umzugshelfer-Berlin.de ist als Start-up-Projekt nach der Übernahme des Berliner Traditionsunternehmens „Umzugshelfer Berlin“ entstanden. Gemeinsam mit meiner Familie und Geschäftspartnern haben wir das Unternehmen erworben und stellen es zurzeit neu auf.
Überrascht hat uns im Rahmen einer Umfrage, wie viele Berliner das Unternehmen aus der eigenen Jugend kennen – und es im Internet dennoch neu für sich entdeckten. Das war ausgesprochen positiv.
Private und gewerbliche Kunden haben über Umzugshelfer-Berlin.de die Möglichkeit, einfach Umzugshelfer oder LKW stundenweise zu buchen – oder auch Komplettumzüge abzuwickeln. Außerdem bieten wir nachhaltige und umweltfreundliche Umzugsmaterialien an, wie wiederverwertbare Kunststoffumzugskisten.
Darüber hinaus, spezialisieren wir uns auf sogenannte Beiladungen, weswegen wir nicht genutzte Kapazitäten von Kraftfahrzeugen nutzen können, um Transporte noch effizienter zu machen. Unser geografischer Fokus liegt derzeit klar auf der Region Berlin und Brandenburg, wir stehen unseren Kunden aber auch bei nationalen und internationalen Umzügen zur Seite.

Für-Gründer.de: Sie haben sich zwei Jahre nach Abschluss Ihres Studiums dafür entschieden, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen, statt selbst zu gründen. Wie kam es dazu?
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de: Während meines Studiums habe ich bereits ein Start-up, einen Crowdinvesting-Dienst, mitgegründet. Ich hatte also bereits Gründungserfahrung, wollte mich jedoch zunächst auf mein Jurastudium konzentrieren. Im Anschluss arbeitete ich bei einem Berliner Company Builder, habe dort ein leidenschaftliches Team kennengelernt und wertvolle unternehmerische Erfahrungen sammeln können.
Meine Familie war dann 2015 auf der Suche nach einem lokalen Berliner Unternehmen, das erworben werden sollte. Grundsätzlich war hierbei ein eher traditionelles Gewerbe anvisiert und ich habe mich entschieden, Teil des Teams zu werden, um im Digitalbereich Impulse setzen zu können.
Wir haben uns dabei bewusst gegen eine Eigengründung entschieden, um einen Fokus zu setzen. Dieser spielt eine entscheidende Rolle. Unternehmerisch kreativ zu sein ist ungeheuer spannend, gleichwohl ist es wichtig, einen gesunden Fokus zu haben. Das bedeutet, dass eine unternehmerische Entscheidung immer auch eine wirtschaftliche ist. Wir haben im Vorfeld genau analysiert, ob eine Übernahme oder eine Neugründung sinnvoller ist.
Wie bei vielen anderen Gründern war auch unser finanzieller Spielraum begrenzt und ich wusste aus meiner vorherigen Berufsstation gut, wie finanz- und zeitintensiv die Einrichtung bestimmter Prozesse wie das Aufsetzen von Technologien, die Akquise erster Kunden, die Identifikation von Mitarbeitern und der Aufbau einer Marke sind. Ich wusste von Beginn an, in welchen Bereichen ich etwas zum Unternehmenserfolg beitragen kann – und in welchen nicht. Man muss kein Tausendsassa sein – auch wenn das viele Gründer denken.
Für-Gründer.de: Was haben Sie vor der Übernahme von Umzugshelfer-Berlin.de gemacht?
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de: Nach meinem Jurastudium war ich u.a. bei einem der größten deutschen Telekommunikationsunternehmen und Berlin Metropolitan Ventures für Vertrieb und Business Development tätig. Das Spannende ist, dass ich hier sowohl die Arbeitskultur innerhalb eines Konzerns als auch in Start-ups kennenlernen durfte, die Zeit möchte ich nicht missen. Ein Teil des Teams begleitet mich noch heute beruflich und privat.
Insbesondere über digitale Geschäftsmodelle und Prozessoptimierung durfte ich viel lernen, außerdem empfinde ich es als vorteilhaft, dass meine Eltern bereits seit meiner Kindheit unternehmerisch tätig waren und noch heute ihre eigenen Firmen führen.
Beide Unternehmen sind eher traditionelle Gewerbe. Es trifft sich gut, dass ich in beiden Welten leben durfte, das macht die Realisierung von Umzugshelfer-Berlin.de einfacher und hilft mir, Kunden, Partner und Mitarbeiter zu verstehen. Du kannst nicht alles digitalisieren, letzten Endes arbeiten wir immer von Mensch zu Mensch.
Für-Gründer.de: Wie lief die Übernahme des Unternehmens konkret ab? Welchen Herausforderungen standen Sie gegenüber?
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de: Wir hatten klare Vorstellungen davon, welche Kriterien ein Unternehmen haben musste. Die Marktanalyse hat Zeit in Anspruch genommen und wir haben über mehrere Monate mit einigen tollen Unternehmerinnen und Unternehmern gesprochen.
Ein Geschäftspartner machte uns eines Tages darauf aufmerksam, dass die Inhaber der „Umzugshelfer Berlin“ einen Nachfolger suchten, er kannte die Altgesellschafter und die Zahlen relativ gut. Wir waren interessiert, da die Firma unsere Kriterien wie Lokalität, Bekanntheitsgrad, Unternehmens- und Gesellschafterstruktur sowie Kundenorientierung entsprach. Schon zu Beginn unserer Reise hatten wir uns entschieden, professionelle Berater, erfahrene Unternehmer und Investoren mit an Bord zu nehmen, um das Risiko einer Fehlentscheidung so gering wie möglich zu halten.
Nach einer umfangreichen Due Dilligence haben wir uns entschieden, die Übernahme als sogenannten Asset Deals zu gestalten.
Mein eigenes juristisches Grundwissen war in diesem Prozess zwar etwas hilfreich, allerdings bei Weitem nicht ausreichend und ich empfehle jedem Gründer, der an einem Übernahmeprozess interessiert ist, einen erfahrenen Rechtsbeistand hinzuzuziehen.
Einer unserer Angel Investoren verfügt über langjährige unternehmerische Erfahrungen und war insbesondere bei den Verhandlungen mit den Eigentümern sehr hilfreich. Insbesondere als es um die Übernahme von Betriebsmitteln ging oder den Kaufpreis, über den Stillschweigen vereinbart wurde. Interessant war auch der Umzug vom ehemaligen Unternehmensstandort in Berlin-Pankow nach Berlin-Wilmersdorf, das hat einige Nerven gekostet. Der bürokratische Aufwand hielt sich zum Glück aber in Grenzen.
Für-Gründer.de: Welche Erfahrungen konnten Sie in das Unternehmen einbringen und was mussten Sie noch dazulernen?
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de: Gründungs- und Managementerfahrung waren bereits vorhanden, außerdem waren die Fundraising-Erfahrungen bei meinem vorherigen Arbeitgeber relevant für Gespräche mit Investoren. Auch wenn ein Businessplan sicherlich kein unbedingt zutreffender Forecast ist, hilft er doch ungemein bei der Geschäftsentwicklung und Businesspläne habe ich bei Berlin Metropolitan Ventures zur Genüge gesichtet. Ich denke, dass ich außerdem im Bereich digitales Marketing wichtige Erfahrungen einbringen kann.
Bereits vor der Übernahme der Umzugshelfer Berlin habe ich mich intensiv mit Branchenbesonderheiten und Arbeitsabläufen vertraut gemacht, ich bin sehr jungfräulich an das Thema herangekommen. Die Altgesellschafter haben zusätzlich wertvolle Learnings mit uns geteilt und auch Kontakte vermittelt. Überdies stand einer der Inhaber uns auch nach dem Verkauf noch beratend zur Seite.
Besonders beeindruckt bin ich von der Arbeitsleistung unserer Umzugshelfer, ich respektiere insbesondere die körperliche Leistung und die hohe Konzentration während der Arbeit sehr. Gerade als Branchenfremder muss man zum Entschluss kommen, dass man es hier mit hart arbeitenden Menschen zu tun hast, das verdient einen hohen Grad an Anerkennung.

Für-Gründer.de: Wer sind Ihre Mitbewerber und wie unterscheiden Sie sich von diesen?
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de: Grundsätzlich gibt es zwei Neugründungen in der Umzugsbranche, die in den vergangenen Monaten verstärkt Aufmerksamkeit erhalten haben, insbesondere durch hohe Wagniskapitalinvestitionen. Es war abzusehen, dass neue Player die Branche betreten. Einige sind mit enormen Summen an Kapital ausgestattet und treiben unter schnellem Wachstum bereits die Expansion in Europa voran.
Hier zeigt sich einer der Unterschiede deutlich: Wir haben zwar Investorengelder eingeworben, verfolgen allerdings einen regionalen Ansatz und möchten den Markt in der Tiefe durchdringen. Außerdem beherrschen wir einen Großteil der Wertschöpfungskette selbst. Anders als Companies, die als Vermittler auftreten und die Auslastung von eigenständigen Umzugsunternehmen verbessern möchten und über keine eigene Fahrzeugflotte verfügen.
Kunden schätzen unsere persönliche Betreuung und schnelle Reaktionszeit, wir wissen viel über sie weil wir unserer Meinung nach gute CRM-Maßnahmen fahren. Meinen Kolleginnen und Kollegen wird die Arbeitsweise dadurch erleichtert, dass wir die Wertschöpfungskette selbst kontrollieren. Das ist wichtig für eine gute Arbeitsatmosphäre.
Hinsichtlich der Konkurrenz durch klassische Umzugsunternehmen ist der Zusammenhalt und die gegenseitige Kooperation eine unerwartet erfreuliche Tatsache. Unsere Mitbewerber sind unheimlich gute Unternehmer, gegenseitige Unterstützung ist spürbar und es wird nicht um jeden Kunden gekämpft. Das ist in anderen Branchen sicherlich anders.
Für-Gründer.de: Ist das Umzugsgewerbe ein lohnendes Geschäft für Internetgründer?
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de: Das Umzugsgewerbe ist insbesondere ein sehr konkurrenzintensives Geschäft. Es gibt in unserer Branche eine Menge schwarze Schafe und großes Potenzial, in diverse Fettnäpfchen zu treten. Internetgründer haben die Möglichkeit, verschiedene Geschäftsmodelle zu verfolgen: vom Vergleichsportal über eine Branchenplattform als Traffic-Lieferanten oder Lead-Anbieter bis hin zur eigenen Website oder einer E-Commerce-Lösung für Umzugsprodukte. Entsprechend gibt es unterschiedliche Monetarisierungsmodelle.
Stimmt die Qualität des Angebots und erreicht man ausreichend potenzielle Nutzer, kann es durchaus ein lohnenswertes Geschäft sein. Bei den Umzugshelfern Berlin betreiben wir kein reines Internetbusiness, die Kapitalbindung einer Umzugsfirma insbesondere durch Lagerräumlichkeiten und Fahrzeuge ist hoch. Das verlangt im Gegenzug ausreichend hohe Erträge und es gibt sicherlich Modelle im Internetbereich, die monetär flexibler sind.
Für-Gründer.de: Wie möchten Sie das traditionelle Umzugsgewerbe digitalisieren? Wie sieht Ihre Vision für das Jahr 2020 aus?
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de: Interessant wird sein, wie Kunden unsere durchgeführten Veränderungen annehmen werden. In der kurzen Zeit, in der wir nun aktiv sind, haben wir einige sehr positive Überraschungen erlebt und wir gehen davon aus, dass Nutzer die kommenden Features der Website positiv aufnehmen werden.
Wir werden aber nicht alles digitalisieren und das wäre meines Erachtens nach auch fatal für unsere Kundenbeziehungen. Gerade in unserer Branche erwarten Kunden einen persönlichen Service.
Unsere digitalen Mehrwerte werden insbesondere die Vereinfachung von Abläufen betreffen sowie den Bereich CRM. Das Internet soll dem Nutzer einen Mehrwert bieten, wir werden aber kein Over-Engineering betreiben.
Mir persönlich liegt die Nachwuchsförderung sehr am Herzen und es wäre fantastisch, wenn wir selbst zum Ausbildungsbetrieb oder Kooperationspartner einer Universität werden könnten. Unser Fokus liegt weiterhin auf dem lokalen und regionalen Markt und der Region Nord-Ost, auch hier setzen wir einen geografischen Fokus. Wenn es sinnvoll ist, sind wir bis 2020 möglicherweise in weiteren deutschen Städten aktiv. Es gibt des Weiteren auch zwei Produktentwicklungen, über die ich an dieser Stelle leider noch nichts verraten kann.
Für-Gründer.de: Vom Gründern gelernt: Welche drei Tipps haben Sie für andere Gründer eines Internetunternehmens?
Armin Aramesh von Umzugshelfer-Berlin.de:
- Erstens ist es hilfreich, zu wissen, wohin man möchte und ob man nur eine Möglichkeit ergreift – oder seiner Leidenschaft folgt. Um herauszufinden, wofür Du brennst, solltest Du möglichst früh praktische Erfahrungen sammeln.
- Zweitens: Eure Company wird ein elementarer Bestandteil eures Lebens werden und sollte daher zu euch passen und keinen negativen Impact auf euer Leben haben.
- Drittens neigen Internetgründer manchmal dazu, sich zu sehr auf technische Prozesse und eine schicke Website zu fokussieren. Doch solange Du kein reines Softwareunternehmen gründest, ist das Internet nur ein Marketing-, CRM- und Vertriebskanal. Es sind stets die Menschen, die du erreichen willst und musst, um dein Unternehmen langfristig erfolgreich zu machen.
Für-Gründer.de: Vielen Dank für das Interview.
Der Beitrag Ein traditionelles Umzugsunternehmen zwischen Movinga und Movago erschien zuerst auf GründerDaily - Deine tägliche Dosis Unternehmertum.