Intensiver gründen geht nicht! Beim Startup Weekend im Silberturm der Deutschen Bahn konnten junge Gründer und Gründungsinteressierte am vergangenen Wochenende über den Dächern Frankfurts an ihren Geschäftsideen feilen und sich an Pitches versuchen. Mehr als 100 Gründer arbeiteten drei Tage lang an elf Startup-Ideen. Eine siebenköpfige Jury bewertete am Schluss die Projekte. Auch in luftiger Höhe immer mit Raum: Das Silicon Valley und Berlin als große Vorbilder. Dabei muss die Mainmetropole sich nicht andernorts orientieren, sondern ihren eigenen Gründerweg gehen.
- Ein Gastbeitrag von Armin Häberle (Frankfurt Business Media, Der F.A.Z.-Fachverlag), der für uns das Startup Weekend – Welcome to FinTech City besucht hat.
Die Truppe ist bunt gemischt, die sich am Freitagabend gegen 17 Uhr im Foyer des Silberturms der Deutschen Bahn einfindet. Studenten mit Ideen und Angestellte auf Ideensuche treffen genauso aufeinander wie Produktmanager aus großen Konzernen und IT-Spezialisten von mittelständischen Softwareunternehmen. Statt am Wochenende auszuspannen, treffen sie sich, um beim Startup Weekend – Welcome to FinTech City! 54 Stunden lang praktisch durchzuarbeiten.

Erwartungsfrohe Gründer beim Startup Weekend Rhein-Main
Startup Weekends werden inzwischen weltweit von New York bis Tokio veranstaltet. Organisator in Frankfurt war der Foundershub Frankfurt Rhein-Main.
Ziel der Startup Weekends ist es, dass aus der bunten Truppe in kürzester Zeit kreative Teams werden, die unter Zeit- und Erfolgsdruck ihre Ideen in Produkte und Geschäftsmodelle überführen.
Unterstützung erhalten sie von ehrenamtlichen Coaches, die den jungen Gründern bei Fragen wie der richtigen Marketingstrategie für Privatkunden bzw. für Geschäftskunden oder bei einem soliden Businessplan unter die Arme greifen. Wichtig ist den Juroren am Schluss: Alle für ein erfolgreiches Startup wesentlichen Schritte sollen zwischen Freitag und Sonntagabend abgearbeitet worden sein. Die Teams sollen
- formulieren, welches Problem sie für welche Kundenzielgruppe wie lösen,
- definieren, wer von ihnen welche Aufgaben übernehmen wird,
- validieren, wie der Markt die Ideen beurteilt, das heißt ob „echte” Kunden das Produkt nutzen würden,
- kalkulieren, wie sie mit der Idee Umsatz generieren und Gewinn erzielen können.
Doch am Anfang jedes Startup Weekends steht nicht der Pitch vor der Jury, sondern vor den möglichen Mitgründern. In Frankfurt reichte die Bandbreite an Startup-Ideen von der Entwicklung einer BahnCard100 für Gründer bis zu einer App zur zeitlichen Optimierung von Arztbesuchen. Am Ende standen elf Teams fest, die im 30. und 31. Stock des Deutsche Bahn Towers und ausgestattet mit Pinnwänden, Post-it-Zetteln, Beamern, Internet und kostenloser Verpflegung ihre Ideen konkretisieren durften.
Nicht nur FinTech Ideen im Fokus
Nicht ganz entsprechend der Devise „Welcome to FinTech City!” drehten sich aber nur knapp die Hälfte aller Startup-Ideen um den Finanzsektor. Das ist weniger, als von Juroren wie zum Beispiel Martin Deckert, dem Operating Head Germany der Schweizer Großbank UBS, oder Maximilian Tayenthal, dem Gründer von Number 26, vielleicht erwartet worden war. Allerdings ist die Quote noch immer um ein Vielfaches höher als in der sonstigen Gründerlandschaft, in der „FinTechs” trotz der großen Aufmerksamkeit, die sie aktuell genießen, noch immer eine Nische darstellen.
Dass es nicht (noch) mehr FinTech-Startups in Deutschland gibt, mag auch daran liegen, dass diese Gründungen relativ hohe Vorabinvestitionen in Personal, Software und Marketing verlangen, bevor sie etablierten Playern Geschäft streitig machen können.
Über diese und andere Themen wie Regulierung und Kundenvertrauen diskutierten am Sonntag Nachmittag Yassin Hankir, Gründer von Savfie (und zuvor Mitgründer von vaamo), Gernot Overbeck, Gründer von Fintura, und andere in 120 Metern Höhe und in direkter Nachbarschaft zu Branchenriesen wie der Deutschen Bank, Commerzbank oder UBS. Allerdings lag die Diskussion zeitlich parallel zu den finalen Pitch-Vorbereitungen der Gründerteams, weshalb nur wenige Teilnehmer des Startup Weekends den Einschätzungen und Erfahrungen der erfahreneren Gründer lauschten.
Dann steuerte alles auf den Höhepunkt zu, die Pitches der Gründerteams im großen Auditorium. Um 18.30 Uhr begann mit Eduvest ein echtes FinTech die Pitch-Serie. Eduvest möchte Privatpersonen mit mobilen Online-Tutorials auf dem Smartphone zum Thema Finanzstrategie schulen – und ihnen anschließend Anlageprodukte vermitteln. Drei Minuten Zeit hatten die Gründer für die Präsentation ihrer Idee, im Anschluss fünf Minuten für die Beantwortung der Jury-Fragen. Bis 20 Uhr folgten im 8-Minuten-Takt Gründungsideen wie Founders, eine Matchingplattform von innovativen Gründern und Industrieunternehmen, Fast-in-Line, die Optimierungsapp für Arztbesuche, Schnellspesen oder Zephyrion Wind Energy.
Bemerkenswert war, wie gut die erst zwei Tage zuvor zusammengewürfelten Teams zusammenarbeiteten und wie viel sie in wenigen Stunden erreicht hatten.
Von einer Befragung von fünfzig Passanten im Frankfurter Bahnhofsviertel bis hin zur Erstellung einer Dummy-App… alle Gründer und Gründungsinteressierten sollten sich davon inspirieren lassen, was in 54 Stunden alles möglich ist.
Wie alles seinen Anfang auf dem Startup Weekend genommen hat, zeigt das nachfolgende Video:
Pitches auf Englisch: USA als Vorzeigeland?
Unglücklich war dagegen die Pflicht, die Geschäftsideen auf Englisch zu präsentieren. Vielleicht konnten dadurch einige Teilnehmer gewonnen werden, die kein Deutsch sprachen. In Summe aber stand die Englischpflicht den meisten Teams sichtlich im Weg. Zwar beherrschten alle Teilnehmer die Fremdsprache, aber das Wichtigste bei einem Pitch – die energiegeladene Präsentation und der spontane, kritisch-kreative Schlagabtausch zwischen Gründer und Jury – blieb auf der Strecke. Vielleicht leidet auch daran die deutsche und die Frankfurter Gründerszene:
Man orientiert sich zu sehr an anderen. Nur weil die USA das Vorzeigeland der Startup-Kultur sind, hilft es niemandem, wenn deutschsprachige Teams vor einer deutschsprachigen Jury auf Englisch zu präsentieren.
Wer sich wirklich einmal vor ausländischen Investoren um viel Geld bewirbt, sollte sein Englisch auf Vordermann bringen. Stimmt! Aber das Startup Weekend und viele andere in Deutschland müssen sich vermutlich überlegen, ob sie Sprachbildung oder Gründerförderung betreiben wollen. Letzteres heißt, jedem Gründer den Rahmen geben, in dem er oder sie seine Idee mit der höchsten Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen kann. Das ist – zumindest in der ersten Gründungsphase – für die meisten Gründer noch immer in ihrer Muttersprache.
Und innerdeutsch leidet Frankfurt an notorischer Fremdorientierung.
Viel zu häufig fällt auch beim Startup Weekend das B-Wort. „Frankfurt ist genauso cool wie Berlin” ist eine der Eröffnungsparolen.
Damit ist von Beginn an wie so oft die deutsche Hauptstadt die Referenz für viele Gründer. Dabei sollten erfolgreiche Frankfurter Start-ups wie 360T, das jüngst für 700 Millionen Euro von der Deutschen Börse gekauft wurde, als Inspiration genügen.
Für Deutschlands Gründerszenen gilt damit vermutlich dasselbe wie für jeden einzelnen Gründer: Grundvoraussetzung für den Erfolg sind Selbstbewusstsein und Mut zur Eigenständigkeit.
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